Arbeitsunfähigkeit an tariflichen Freistellungstagen

In einem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) am 23.2.2022 entschiedenen Fall waren der Arbeitgeber und Arbeitnehmer an den Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (MTV) und den Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (TV T-ZUG) gebunden. Der MTV eröffnet bestimmten Arbeitnehmergruppen die Möglichkeit, statt des Zusatzgelds nach dem TV T-ZUG bezahlte arbeitsfreie Tage zu erhalten. Der Arbeitnehmer wählte für das Jahr 2019 den Anspruch auf Freistellungstage. An 2 der festgelegten freien Tage war er arbeitsunfähig erkrankt. Eine Nachgewährung lehnte der Arbeitgeber ab. Der Arbeitnehmer vertrat die Auffassung, dass ihm für das Jahr 2019 noch eine bezahlte Freistellung im Umfang von 2 Arbeitstagen zusteht, da der Anspruch durch die bloße Festlegung von freien Tagen nicht erfüllt worden war. Vielmehr muss die freie Zeit tatsächlich nutzbar sein. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit stand dem entgegen.

Der tarifliche Anspruch auf bezahlte arbeitsfreie Tage, der an die Stelle des Anspruchs auf ein tarifliches Zusatzgeld tritt, wird nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer am Freistellungstag arbeitsunfähig erkrankt ist, entschieden die Richter des BAG. Er besteht als originärer Erfüllungsanspruch fort und ist grundsätzlich nicht auf das Kalenderjahr befristet. Nur dann, wenn die Gewährung von Freistellungstagen aus personenbedingten Gründen (z. B. wegen einer langandauernden Erkrankung) im gesamten (restlichen) Kalenderjahr nicht möglich ist, geht der Freistellungsanspruch unter. In einem solchen Fall lebt nach dem MTV im Umfang der nicht realisierten Freistellungstage der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld wieder auf.

Verteilung der CO2-Kosten auf Mieter und Vermieter

Am 2.4.2022 einigten sich der Bundeswirtschaftsminister, die Bundesbauministerin und der Bundesjustizminister auf eine Teilung der CO2-Kosten zwischen Vermietern und Mietern sowohl bei den Wohn- als auch Nichtwohngebäuden.

Mit einem Stufenmodell sollen anhand der spezifischen CO2-Emissionen des vermieteten Gebäudes die produzierten CO2-Kosten künftig anteilig entsprechend der Verantwortungsbereiche umgelegt werden. Je schlechter die Energiebilanz des jeweiligen Gebäudes, desto höher ist der zu tragende Kostenanteil für die Vermieter.

Bei Wohnungen mit einer besonders schlechten Energiebilanz (>=52 kg CO2/m²/a) übernehmen die Vermieter 90 % und die Mieter 10 % der CO2-Kosten. Je 50 % der CO2-Kosten tragen Mieter und Vermieter bei einem Wert von 32 –< 37 kg CO2/m²/a. Bei Gebäuden mit einem sehr effizienten Standard (<12 kg CO2/m²/a) müssen die Vermieter keine CO2-Kosten mehr tragen. Das Stufenmodell gilt für alle Wohngebäude einschließlich Wohn-, Alten- und Pflegeheimen und Gebäude mit gemischter Nutzung, in denen Brennstoffe genutzt werden, die unter das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) fallen. Die Festlegung der von den Parteien pro Wohneinheit zu tragenden CO2-Kosten erfolgt über die Heizkostenabrechnung. Den Vermietern werden mit der Brennstoffrechnung alle für die Berechnung erforderlichen Daten an die Hand gegeben, sodass sie die Verteilung der CO2-Kosten leicht ermitteln können. Bei Nichtwohngebäuden wie z. B. Gewerberäumen greift die 50:50-Aufteilung, die bereits im Koalitionsvertrag als Möglichkeit festgelegt wurde. Die Mietparteien können, sofern sie handelseinig werden, einen Ausgleich z. B. über die Mietkosten vereinbaren. Anmerkung: Geplant ist, dass die Regelung zum 1.1.2023 in Kraft tritt.

Übertragung einer Immobilie mit Pflegevereinbarung

In der Praxis wird nicht selten eine Immobilie mit der Bedingung übertragen, dass ein Wohnrecht eingetragen und der Übertragende vom Empfänger gepflegt wird. 

So auch in einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall. Ein Mann, der zuvor einen schweren Herzinfarkt erlitten hatte, übertrug sein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück auf seine Schwester. Als Gegenleistung bestellte diese ihrem Bruder ein Wohnrecht an bestimmten Räumen des Hauses und verpflichtete sich, ihn lebenslang zu betreuen und zu pflegen. Sie wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen und bezog das Haus zusammen mit ihrem Ehemann, ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn. In der Folgezeit kam es zu Streitigkeiten zwischen den Geschwistern. Ab Februar oder März 2014 erbrachte die Schwester keine Pflegeleistungen mehr. Darauf erklärte der Bruder den Rücktritt von dem Vertrag, weil seine Schwester von ihm Miete verlangte und ihn bedrängt und genötigt hatte.

Bei einem Übertragungsvertrag mit Pflegevereinbarung unter Geschwistern ist die dauer hafte, von gegenseitigem Vertrauen der Parteien getragene Beziehung im Zweifel Geschäftsgrundlage des Vertrags. Ist das Verhältnis zwischen dem Übertragenden und dem Übernehmenden heillos zerrüttet, führt dies – vorbehaltlich vertraglicher Vereinbarungen – zu dem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Das kann eine Rückübertragung der Immobilie zur Folge haben. Denn sollte eine Vertragsanpassung in Form von Geldleistungen nicht möglich bzw. dem Bruder wegen der finanziellen Verhältnisse seiner Schwester nicht zumutbar sein, könnte er die Rückübertragung des zugewendeten Eigentums an dem Hausgrundstück verlangen.

Gewerbemiete trotz Corona-Schließung

Während des sog. „Lockdowns“ Ende 2020 mussten viele Geschäfte schließen. Die Mietverträge liefen trotzdem weiter, obwohl häufig kein Gewinn mehr erwirtschaftet werden konnte. Der Gesetzgeber hat darauf mit einem neuen Gesetz reagiert, nach dem ein „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ vermutet wird, wenn die gemieteten Räumlichkeiten wegen des Lockdowns nicht oder nur noch mit erheblichen Einschränkungen verwendet werden können. Darauf berief sich auch ein Möbelhaus in Osnabrück und verlangte die Reduzierung der Miete für eine angemietete Lagerhalle.

Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied am 29.3.2022 dazu, dass kein Anspruch auf eine Anpassung der Miete besteht, da die Lagerhalle in der Lockdown-Zeit durchaus nutzbar war. Die Firma hatte die Möbel nämlich online vertrieben und auch stationäre Verkäufe über „click & collect“ getätigt. Die Lagerhalle war in ihrer Funktion durch den Lockdown daher gerade nicht betroffen gewesen. Etwas anderes könnte ggf. für das Ladengeschäft selbst gelten.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob die neue Gesetzesregelung auch auf Lagerhallen anzuwenden ist.

Keine Staatshaftung bei corona-bedingten flächendeckenden Betriebsschließungen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte am 17.3.2022 über die Frage entschieden, ob der Staat für Einnahmeausfälle haftet, die durch flächendeckende vorübergehende Betriebsschließungen oder Betriebsbeschränkungen aufgrund von staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus und der dadurch verursachten Corona-Krankheit entstanden sind.

Hilfeleistungen für von einer Pandemie schwer getroffene Wirtschaftsbereiche sind keine Aufgabe der Staatshaftung, entschieden die BGH-Richter. Vielmehr folgt aus dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes, dass die staatliche Gemeinschaft Lasten mitträgt, die aus einem von der Gesamtheit zu tragenden Schicksal entstanden sind und nur zufällig einen bestimmten Personenkreis treffen.

Hieraus folgt zunächst nur die Pflicht zu einem innerstaatlichen Ausgleich, dessen nähere Gestaltung weitgehend dem Gesetzgeber überlassen ist. Erst eine solche gesetzliche Regelung kann konkrete Ausgleichsansprüche der einzelnen Geschädigten begründen. Dieser sozialstaatlichen Verpflichtung kann der Staat z. B. dadurch nachkommen, dass er – wie im Fall der Corona-Pandemie geschehen – haushaltsrechtlich durch die Parlamente abgesicherte Ad-hoc-Hilfsprogramme auflegt („Corona-Hilfen“), die die gebotene Beweglichkeit aufweisen und eine lageangemessene Reaktion z. B. durch kurzfristige existenzsichernde Unterstützungszahlungen an betroffene Unternehmen erlauben.

Entschädigung bei verpasstem Flug aufgrund Wartezeit bei Sicherheitskontrolle

Verpasst ein Fluggast infolge überlanger Wartezeit an der Sicherheitskontrolle des Flughafens seinen Flug, kann er Entschädigung für entstandene Kosten des Ersatzflugs verlangen, wenn er sich gemäß den Empfehlungen des Flughafens rechtzeitig beim Check-In eingefunden und von dort ohne erhebliche Verzögerungen die Sicherheitskontrolle aufgesucht hat. Zu dieser Entscheidung kamen die Richter des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in ihrem Urteil v. 27.1.2022.

„Zug zum Flug-Ticket“ als Teil einer Pauschalreise

Ist im Reiseprospekt bei der Beschreibung einer Flugpauschalreise der Bahntransfer zum Flughafen ohne Hinweis auf ein zusätzliches Entgelt als „Vorteil“ aufgeführt, ist dies aus Kundensicht i. d. R. dahin zu verstehen, dass es sich um eine vom Reiseunternehmen angebotene Leistung handelt, die vom genannten Pauschalpreis umfasst ist.

Dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.6.2021 lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde: Ein Ehepaar hatte eine Pauschalreise zum Preis von ca. 3.600 € gebucht. Der Hinflug sollte am 25.11.2017 um 12:05 Uhr vom Flughafen Düsseldorf starten. Die Beschreibung der Reise im Werbeprospekt enthielt u. a.: „Vorteil: Zug zum Flug 2. Klasse incl. ICE-Nutzung“. Nach Auskunft der Bahn sollte das Ehepaar bei einer Abfahrt vom Heimatbahnhof um 5:29 Uhr um 9:27 Uhr am Flughafen Düsseldorf eintreffen. Tatsächlich erreichten sie den Flughafen erst um 11:35 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt war der Einsteigevorgang bereits abgeschlossen. Die Reisenden wurden abgewiesen und konnten das Flugzeug, das pünktlich startete, nicht mehr erreichen. In einem kurz nach dem Start des Flugzeugs geführten Telefonat bot das Reiseunternehmen die Buchung eines Ersatzflugs für einen Aufpreis von 2.400 € an. Das Angebot lehnte das Ehepaar ab, trat die Heimreise an und verlangte die Erstattung des Reisepreises und eine Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude. 

Die BGH-Richter entschieden zugunsten des Ehepaares, da die Zugfahrt Teil der Pauschalreise war.

Kündigung online abgeschlossener Verträge

Das Gesetz für faire Verbraucherverträge hat bereits wichtige Verbesserungen gebracht. So können Strom- und Gasverträge nicht mehr wirksam am Telefon abgeschlossen werden. Hier besteht eine ausdrückliche Bestätigungspflicht. Des Weiteren traten zum 1.3.2022 strengere Regelungen für stillschweigende Vertragsverlängerungen in Kraft.

Im nächsten Schritt wird ab dem 1.7.2022 für dauernde Schuldverhältnisse ein verpflichtender Kündigungsbutton im Online-Bereich eingeführt. Ein Vertrag im Internet ist schnell geschlossen – oftmals genügt dafür ein Klick. Die Kündigung des Vertrags gestaltet sich meistens wesentlich schwieriger. Häufig muss man sich durch mehrere Seiten klicken und am Ende doch noch per Brief oder Fax kündigen. Der Button als unkomplizierte Kündigungsmöglichkeit im Online-Bereich soll hier Abhilfe schaffen. Erfüllt der Unternehmer die Voraussetzungen dafür nicht, kann ein Verbraucher einen Vertrag, jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.

SPRUCH

Schweigen ist eines der am schwierigsten zu widerlegenden Argumente.
Henry Wheeler Shaw Billings; 1818 – 1885, amerikanischer Humorist